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Der schwarze Tod in Wangs (aus der Pestzeit)

Kalt fegte der Wind aus der Rheinebene. Zwei hohe, hagere Gestalten schritten im Morgengrauen durch das stille Dörflein Wangs. Unheimlich flatterten ihre schwarzen Mäntel im Wind. Auf ihren Schultern trugen sie Sensen. Bei Lütza, wo sich der Weg nach dem Vorder- und Hinterberg teilt, blieben die beiden stehen. „Hier wollen wir uns trennen. Wetze gut und vergiss keinen!“ Ein hohles Gelächter war die Antwort.

Am selben nebelfeuchten Vorfrühlingstag brach die Pest aus, gleichzeitig am Vorder- und Hinterberg. Plötzlich überfiel die Menschen ein kalter Fieberschauer und bald war ihr Körper mit Pestbeulen über und über bedeckt. Die beiden Pest-Mähder hielten furchtbare Ernte. Am Vorderberg wechselte ein Erbe neunmal. Zuletzt fiel der ganze Vorderberg an ein Mädchen, das vom Sterben allein verschont blieb.

Auch im Dorfe Wangs gab es in jedem Hause Tote. Zwei Ochsen zogen die Wagen, auf die man die Opfer legte. War der Wagen voll, fuhren ihn die steten Tiere bis in die Walche. Dort hätten die Melser den Leichenwagen abgeholt und die Toten beerdigt. Nachher seien die Ochsen wieder zurückgetrampelt um eine neue Last zu holen.

Viele flohen in die Alpen und Berge. Im Oberdorf in Mels sah man abends nur noch ein einziges Licht brennen. Valenser und Pfäferser flüchteten sich nach dem Bad. Dort seien alle verschont geblieben.

Lange Zeit wusste niemand ein Mittel gegen die Pest. Endlich machte ein Sprüchlein die Runde, das jemand aus den Lüften gehört habe „“Issend Bibernäll und Baldriu, dinn chund-er all dervu!“. *

* Esst Bibernell und Baldrianwurzeln, dann kommt ihr mit dem Leben davon!

Die beiden scharfriechenden Wurzeln sollen vor weiterer Ansteckung beschützt haben.

Aus einem alten SJW-Büechli "Geschichten aus dem Sarganserland" von Willi Gantenbein